Dass die flackernden Gaslichter ein immer wechselndes Lichtspiel in Räume brachte, inspirierte Autoren immerzu Geschichten rund um das Gaslicht zu schreiben, die auch in einer Groschenheftreihe mit dem Titel Gaslicht mündete und seit 1970 bis heute wöchentlich als Romantic Triller erscheint. Oft zierte diese Groschenheftchen eine Illustration eines einzeln stehenden Hauses das mit Gaslicht beleuchtet wurde und im Vordergrund die eine Frau, die meist um die Liebe ihres Lebens kämpfen muss. Die Kurzromane haben Titel wie „Haus der toten Bräute“, „Nebelinsel“ oder „Haus der Tränen“. Aber auch bei Verlagen wie Suhrkamp erschienen Erzählungen in denen die Gasbeleuchtung beschrieben wurde.

In Hans Erich Nossacks Erzählung: Begegnung im Vorraum heißt es: „[…]Das Gaslicht puffte von dem Luftzug, dann zischte es wieder eintönig[…]“ oder in Manfred Bielers DTV Ausgabe Matrose in der Flasche: […]Wir standen im blauem Gaslicht[…]

Auch eine Fernsehverfilmung produzierte die ARD in den 70igern, ein Krimi mit dem Titel „Gaslicht“ Anneliese Uhlig und Theo Lingen in den Hauptrollen. Natürlich sei auch die Ingrid Bergmann Kinoverfilmung erwähnt: „Gaslight“ oder „das Haus der Lady Alquist“. Da spielen tatsächlich die Gaslichter an den Wänden eine gewichtige Rolle – wenn sie flackern oder ausgehen, hat der Täter die Hand im Spiel. Das Drehbuch ging auf den Patrick Hamilton Roman zurück, der auch ein Schauspiel dazu 1939 in London uraufführte. 1976 gab es das Stück sogar als Hörspiel des Bayrischen Rundfunks. Bei all den kulturellen Erzeugnissen werden immer einzeln stehende Häuser beschrieben oder bespielt, die durch den wohligen Gaslichtcharme immer auch etwas gruseliges haben und für das wilhelminische oder viktorianische Zeitalter stehen. Für die Steampunkkultur ist das Gaslicht und alle Formen um diese Leuchter, Lampen oder dazugehörigen technischen Anlagen ein wichtiges Element ihrer Retro-Futuristischen Ansichten. Auch der Franzose  Saint Exupery in seinem Buch „Der kleine Prinz“ greift das Gaslicht auf, in dem er seinen Protagonisten bei seiner Reise auf den fünften Planeten auf den Laternenanzünder treffen lässt. Dieser klagt: „Ich tue da einen schrecklichen Dienst.“ Denn der Planet dreht sich immer schneller, kürzer sind Tage und Nächte, kürzerer sind daher auch die Folgen in denen er die Lichter löschen und anzünden muss. Seine Weisung sei schon alt und erfolgte, als sich der Planet noch langsam drehte. Trotzdem sagt er sich von der Weisung nicht los und befindet sich im sprichwörtlichem Hamsterrad.


Zur Vergänglichkeit des Kulturgutes Gaslicht


beno

Jetzt verschrotteter Beno, zur Erzeugung von Gas zur Beleuchtung


Leider konnte ich in der Hordorfer Straße 4 in Halle mit dem Gerät im Jahr 2010 nichts anfangen. Es war eine Art Fass mit Zahnrädern dran und Rohrzuleitungen, die ich kappte um dann alles zu verschrotteten. Damit verschwand ein Überbleibsel aus der Zeit der Gasbeleuchtung. Wo was war ist nichts mehr und wo nichts war, ist was. Aber diese Verluste sind System  Mindestens vier der von Thiem dem Berliner Museen vermachten Gemälde holländischer Meister verbrannten 1945 in einem Flak Turm, wo sie in Sicherheit gebracht worden waren.

Es waren Kalfs Stilleben mit dem Nautilusbecher, Versproncks Bildnis einer jungen Frau, Backers Bildnis einer Greisin, P. Franchoys Bildnis eines jungen Mannes. Hedas Stillleben mit umgekippten Glas und Römerbecher. Die alten Meister waren damals out. Heute ist irgendwie die Moderne aus der Mode gekommen. Ich denke an den Abriss der Digitaluhr am Steintor in Halle, die ja aus der Produktion der Neontechnik stammte, nun ist die Zeit verschrottet und man hat seit 2009 wieder einen freien Blick vom Steintor auf den alten Wasserturm aus der Gründerzeit.


uhr

Heute verschrottete Digitaluhr alles ist eben vergänglich und es ist immer 5 vor 12

verbranntes Bild mit Römer aus der Sammlung Thiem

verbranntes Bild mit Römer aus der Sammlung Thiem Heda, Willem Claesz war ein Hauptvertreter holländischer Meister der relativ monochromen Malzeitenstillleben des 17. Jahrhunderts

 

Heda, Willem Claesz war ein Hauptvertreter holländischer Meister der relativ monochromen Malzeitenstillleben des 17. Jahrhunderts

verbranntes Bild von Franchoys, Peeter aus dem frühen 17. Jhd.

 

verbranntes Bild von Franchoys, Peeter aus dem frühen 17. Jhd.

verbranntes Bildnis einer Greisin von Jacob Adriaensz Backer

 

Alles ist vergänglich auch die reich verzierten Prunkschalen und exotischen Früchte zeichneten Willem Kalfs Stillleben aus, die einen Einblick in den Überseehandel der

Alles ist vergänglich auch die reich verzierten Prunkschalen und exotischen Früchte zeichneten Willem Kalfs Stillleben aus, die einen Einblick in den Überseehandel der Niederlande um 1700 gaben. Auch dieses Gemälde verbrannte 1945


Auf den folgenden  Bildern sind original Gaslampen zu sehen, die in Bad Berka eingesetzt wurden. Gegenstände die bei Ebay nicht einmal für den einen Euro Startpreis verkauft wurden. Aber was soll die nostalgische Wehmut wegen alter Lampen? Heute gibt’s LED Lichterketten und leuchtende Winkekatzen.


lampe1

Gaslaterne ist aus Gleiwitz

Gaslaterne ist aus Gleiwitz

 

Die Familie Thiem hatte Verwandschaft in Gleiwitz in Schlesien, darum gab es auch dort die Benos aus Thiems Produktion

Die Familie Thiem hatte Verwandschaft in Gleiwitz in Schlesien, darum gab es auch dort die Benos aus Thiems Produktion


Aus dem Polytechnischen Journal von 1904 sind die Vorzüge von Thiem und Töwes Licht zu entnehmen: „Die Bedienung, die die Apparate verlangten, war eine sehr geringe; Nachfüllen des Hexans und Aufziehen des bei grösseren durch Motoren zu ersetzenden Gewichtes, was ohne Betriebsunterbrechung geschehen konnte, ist alles, dessen es bedarf. Die Betriebskosten waren gering; 1 m³ Gas kostete rund 10 Pfg. Die Kosten für die Anschaffung der Anlagen war ebenfalls gering. Es würde sich beispielsweise eine Anlage für einen Bedarf von 1000 Flammen die Anschaffungskosten für Apparate einschließlich der Errichtung der Gebäude auf rund 25000 M. belaufen; eine Anlage für 20 bis 30 Flammen kostet rund 700 M. – Die Kosten für 50 Hefnerlichtstunden werden mit 1,2 Pfennig angegeben.


Dass die beiden Medien Gas und Strom konkurrierten wird an den Reklamemarken sichtbar.

recl1

recl2

recl3


Zurück in das Jahr 2012, dort habe ich in der Villa beim Renovieren trotzdem die alten Rohrleitungen aus der Decke gucken lassen, die früher fürs Gaslicht da waren. Einen originalen Abstellhahn fürs Gaslicht gibt es auch noch, der nach früheren Normen in 1,50 Meter Höhe angebracht wurde. Interessant ist auch das die ersten Lichtschalter für elektrisches Licht komplizierte Federmechanismen waren. Mit diesen Drehschaltern aus Bakelit wählten die Hersteller eine Form um der Benutzung des Gaslichts oder den noch älteren Petroleumlampen nahe zu kommen, denn diese drehte man schon seit einem Jahrhundert an oder ab.

Die Logos mit T&T erinnern durch Form und Farbigkeit an die berühmte Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu mit Kaiser Otto II, aus dem Jahre 972. Genauer an das Eschatokoll oder das Monogramm am Ende der Urkunde. Bruno Thiem war zwar nicht der von Magdeburg aus regierende Kaiser aber zumindest Bürgermeister. Auch die Ausgrabungen im alten Byzanz und die persische Teppichsammlungen von Adolph Thiem finanziert und angelegt sind eine Parallele zu der frühmittelalterlichen Heirat zwischen einer byzantinischen Prinzessin und dem Kaiser.


logo1

logo2

logo3


armatur


Diese Gasarmaturen baute Thiem und Töwe.

Wie erwähnt stellte abends ein Simson Motorrad Fahrer die Gaslaternen an und morgens ab. Bis die Laternen durch Betonmasten auf der anderen Straßenseite  und Dampflampen ersetzt wurden. Die Schinkel-Gaslaternen aus verziertem Gusseisen wurden nach Düsseldorf verkauft.  Mit der Abwicklung der Laternen-Geschäfte war die berühmt-berüchtigte Kunst- und Antiquitäten GmbH aus dem Imperium des DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski beauftragt. Dieser soll auch die Idee zum Verkauf von Tausenden Gaslaternen ins westliche Ausland gehabt haben. (Zit: der Zündfunke, 2009, S.9-10). Mit den elektrischen Lampen und den 1500 Watt kamen aber neue Probleme in die Stadt Halle. Denn die verbrauchten mehr Strom als die Leitungen hergaben und als dann noch zu Honnecker‘s Besuch alles mit Neonreklamen erleuchtet werden sollte, stellte man kurzerhand das Licht auf der Magistrale aus um wenigstens an einem Abend den Boulevard komplett mit Reklamen zu beleuchten. Später gab es Abstell- und Leuchtzeiten.

Durch den Rückbau der Laternen beantwortet sich auch die Frage wieso in der Hordorfer Straße nicht der Fußweg beleuchtet ist und man nachts zu Fuß unterwegs ständig über Katzen und Igel stolpert, die ihr Unwesen treiben. Dafür ist die Porphyrsteinmauer des Nordfriedhofs auf der anderen Straßenseite erhellt.

Ab 1923 baute die AG Andreas Haazzengier Kühler- und Apparate. Es gab einige Patente von Thiem&Töwe auf Maschinen, wie mechanische und elektrische  Mühlen. Diese wurden beispielsweise in der Vierteljahresschrift des Apotheker Vereins 1919 beschrieben. Ein Kassenschlager war die Drogenmühle „Titöha“,  mit der in der 30iger Jahren viele Hersteller den Kautabak und stärkere Drogen zerkleinerten. In dieser Zeit kannte man die Realität der Wirtschaftskrise wahrscheinlich auch nur noch unter Drogen ertragen. Max Töwe verblieb nur noch kurz auf dem Gelände und brachte sich hier mit ein, bis er nach Italien ging und 1932 in Sizilien starb. Walther Thiem musste seinen Bruder  und seinen Vater 1923 zu Grabe tragen und verblieb dann in Starnberg im Haus seines Bruders, wo er wieder zu malen anfing. Walther Thiem arbeitete auch für IG Farben, die 1926 die Riebecksche Montanunion übernommen hatte, welche der wichtigste Handelspartner für Thiem & Töwe war, da er das Leichtbenzin für die Benoidapparate herstellte. Wieso Thiem und Töwe ab 1923 aus dem Betrieb ausschieden, lässt sich nur erahnen, wir haben die Zeit der Hyperinflation, der Reparationszahlung und des Niedergangs von Adel und Kaiser. Ab 1924 war Felix Rabe alleiniger Inhaber der Fabrik und warb mit der Herstellung von Autokühlern. Damit war Thiem und Töwe von nun an ein Zulieferer für den Automobilbau.


recl4